Böser Stress, guter Stress

Stress ist laut der Weltgesundheitsorganisation eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Auch in Deutschland ist der Anteil an Krankschreibungen aufgrund von psychischen und stressbedingten Erkrankungen signifikant angestiegen. Dauerstress ist gefährlich und schädlich. Er kann ins Burnout führen und das Risiko für zahlreiche Krankheiten erhöhen. Außerdem sorgt chronischer Stress dafür, dass man schneller altert.

Hier steht ganz bewusst Dauerstress und chronischer Stress.

Denn rein biologisch gesehen ist Stress nicht negativ, sondern neutral.

Stress ist erstmal nur ein Programm in unserem Körper, das physische und psychische Energie aktiviert, damit wir auf Gefahren schnell und gut reagieren können, leistungsfähiger werden, um unsere Ziele auch dann zu erreichen, wenn Widrigkeiten auftauchen.

Akuter Stress ist nicht ungesund, wenn er nicht allzu extrem ist und wir schnell wieder rauskommen, runterkommen, in die Entspannung finden. Unser Körper ist dafür gemacht, zwischen Anspannung und Entspannung zu pulsieren. Das macht unser autonomes Nervensystem für uns.

Aber dieses Pulsieren lassen wir in stressigen Zeiten oft gar nicht zu: Wir hetzen dann durch den herausfordernden Alltag, sind die ganze Zeit angespannt. Abends oder am Wochenende schaffen wir es dann oft nicht abzuschalten, in die Entspannung zu kommen und gut zu schlafen, um am nächsten Tag wieder genügend Energie und Konzentration aufbringen zu können für das, was uns wichtig ist. Ein Teufelskreis, der auf Dauer wirklich zu einem gesundheitlichen Problem werden und bis zum Burnout oder in andere Krankheiten führen kann. 

Und es gibt noch eine zweite Form des gefährlichen Stress und das ist, wenn unser Standardmodus, die Baseline unseres Erregungslevels dauerhaft zu hoch ist. Das drückt sich dann in einer ungerichteten und oft unbemerkten Grundanspannung aus, z.B. aufgrund von Unsicherheiten und Reizüberflutung. 

Positiver Akutstress erhöht dagegen für eine klar abgegrenzte Zeit unsere Aufmerksamkeit und fördert die maximale Leistungsfähigkeit unseres Körpers, ohne ihm zu schaden. Wir erleben die Situation dann als Herausforderung, der wir uns gerne stellen. Denn wir fühlen uns kompetent genug, die Situation zu meistern und glauben, dass wir erfolgreich sein können. Die Grenze zu dem als sehr angenehm empfundenen Flow-Zustand ist fließend. 

Positiv und negativ wahrgenommener Stress zeigt sich auch im Körper anders.

Die Stressreaktion unterscheidet sich zwar nicht in ihrem Ablauf, jedoch ist die Quantität und Dauer anders: Bei positiv erlebtem Stress sind die Erregungshormone und -Botenstoffe auf einem moderaten und der Situation angepassten Level, wohingegen sie beim negativen Stress extrem erhöht sind. Und der Abbau der Hormone, d.h. die Rückkehr in den Entspannungsmodus dauert im negativen Distress auch länger.

Außerdem werden parallel zur Stressreaktion andere Systeme aktiviert: 

  • Bei positivem Stress schaltet sich das Motivations- und Belohnungssystem des Gehirns ein und sorgt für eine Erhöhung des Dopamin- und Serotonin-Levels.

  • Bei negativem Stress ist dagegen das Angstzentrum hochgefahren. 

In der jüngeren Stress-Forschung kommt ein aufregender Aspekt hinzu: Das Mind and Body Lab der University Stanford hat herausgefunden, dass unser Stress-Mindset, d.h. ob wir Stress per se als eher schädlich oder förderlich für uns einschätzen, einen signifikanten Einfluss auf unser emotionales und körperliches (!) Stresserleben hat. Die Studienergebnisse zeigen: Wenn wir Stress als primär förderlich ansehen, reduzieren sich die typischen Stress-Symptome deutlich und zudem steigt unsere Leistungsfähigkeit. Wir finden besser in den positiven Stress. 

Was können wir also tun, um die positiven Aspekte von Stress nutzbar zu machen und die negativen zu reduzieren?

  1. Wir können unsere Ausgangsbasis verbessern, indem wir ein möglichst gesundes Leben führen. Denn wenn wir gut schlafen, uns ausgewogen ernähren, uns viel bewegen, Zeit mit unseren Liebsten verbringen und in unserem Biorhythmus leben, dann können wir Stress einfach besser wegstecken. 

  2. Wir können lernen, wie wir unser Anspannungs- und Entspannungssystem beeinflussen können, um das Erregungsniveau zu drosseln und schneller in die Entspannung zu kommen. Dazu gehört auch, dass wir unseren Alltag so strukturieren, dass wir das natürliche Pulsieren zwischen Anspannung und Entspannung zulassen: echte Pausen sind der Schlüssel. Gemäß unserem Biorhythmus ist intensives Arbeiten für maximal 60-90 Minuten möglich. Danach braucht unser System eine Pause von mindestens 10-15 Minuten, in der wir bewusst defokussieren, d.h. weg vom Bildschirm, Blick weiten (Panoramablick), offener Geist, bewusst Atmen (mit Betonung der Ausatmung) – idealerweise ergänzt durch etwas Bewegung. Aufgrund der Aufgaben- und Reizüberflutung in unserem modernen Alltag wäre es zudem ideal einmal täglich eine Erholungseinheit zur Tiefenregeneration von 20-30 Minuten zu etablieren, z.B. Powernap, Atemübungen, Yoga-Nidra, Autogenes Training, Meditation, (Selbst-)Hypnose etc.

  3. Wir können unsere Selbstwahrnehmung schulen, um Stressanzeichen (früher) zu erkennen und Stresstrigger ggf. zu reduzieren und/oder zu umschiffen.

  4. Wir können unsere Stresstoleranz erhöhen, z.B. durch Ausdauersport, Kälte-Esposition oder Tummo-Breathing (sofern keine Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems vorliegen).

  5. Wir können die Einstellungen zu unseren Fähigkeiten, zu Selbtansprüchen, zu Unvorhergesehenem und Ungewissem sowie zu Stress an sich verändern.

  6. Wir können einen Sofort-Maßnahmen-Plan und ein mentales Schutzschild aufbauen, auf das wir in akuten Stress-Situationen zurückgreifen können. 

Hier kann es kein Standardrezept geben, sondern nur individuelle Lösungen.

Gerne kann ich dich mit Coaching, Mentaltraining und Hypnose dabei unterstützen, einen für dich gesunden und produktiveren Umgang mit Stress zu finden.

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Situative Aktivierung des Flow-Erlebens

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Plädoyer fürs Singletasking