How to Flow - produktiv und mit Freude arbeiten

Wer kennt ihn nicht, diesen wunderbaren Zustand ganz im Flow zu sein? Diese Momente, wenn wir vollkommen in einer Tätigkeit aufgehen, wenn die Zeit und alles um uns herum zu verschwinden scheint. Ohne Sorgen, ohne Zweifel und hoch konzentriert geht es uns hervorragend und wir laufen zu Höchstform auf. Bei  körperlichen und künstlerischen Aktivitäten, wie Joggen, Klettern oder Malen, finden viele Menschen in ihren Flow. Aber auch bei der Arbeit ist dies möglich.

Dies finde ich deshalb umso bemerkenswerter, da in Deutschland Arbeit häufig mit Frust verbunden wird: 76% leiden im Job mindestens einmal pro Woche unter Stress und fast jeder Vierte geht unmotiviert zur Arbeit. Hinzu kommen die laufende Überforderung und Zerstreuung durch Multitasking, Media-Mehrkanaligkeit auf Computer, Handy und Co sowie die wachsenden Ansprüche von Angestellten und Unternehmen nach mehr Selbstwirksamkeit und „Purpose“ im Sinne des New Work.

Wie wäre es also, wenn wir nicht nur in Entspannungsmomenten zufrieden und bei uns wären, sondern auch während wir hoch produktiv und fokussiert arbeiten? Genau dies bietet offensichtlich der Flow-Zustand.

Seit rund 45 Jahren erforschen Psycholog:innen und andere Wissenschaftler:innen das Flow-Erleben, das glücklich und leistungsstark macht. Dank der modernen Hirnforschung verstehen wir jetzt besser, was dabei in unserem Gehirn passiert, und wie wir Prozesse in Gang setzen können, um besser in den Flow zu finden. Zwei Fragen sind im Hinblick auf eine How-to-Flow-Strategie entscheidend:

  • Welche Aktivierungsmaßnahmen gibt es, um in einer konkreten Situation besser in den Flow zu kommen?

  • Wie kann man seine grundsätzliche Flow-Neigung steigern?

Doch zunächst einen Schritt zurück: Was genau ist Flow? 

Flow ist ein besonderer Bewusstseinszustand. Als zentrales Merkmal gilt das vollkommene Aufgehen im Tun, verbunden mit dem Verlust des Zeitgefühls und des Bewusstseins für das eigene Selbst. Hinzu kommen ein hoher und fast müheloser Konzentrationsgrad und eine extreme Fokussierung der Aufmerksamkeit auf einen klar eingegrenzten und kontrollierbaren Tätigkeitsbereich. Die Tätigkeit selbst muss klare Handlungsanforderungen und Zielsetzungen aufweisen und im Verlauf Feedback dazu geben. Wichtig ist, dass die Anforderungen den Fähigkeiten der ausführenden Person entsprechen bzw. dies von ihr so wahrgenommen wird und als herausfordernd empfunden werden. Bei einem gefühlten Ungleichgewicht zwischen den Faktoren empfindet die Person entweder Langweile bei Unterforderung oder rutscht bei Überforderung in die Stresszone.

Im Gehirn zeigt sich dieser mentale Zustand durch eine starke Aktivitätsreduktion des sogenannten DMN (Default Mode Network), das für das selbstreferenzielle Denken zuständig ist. Gleichzeitig sind die Gehirnareale hochgefahren, die für aufgabenspezifische kognitive und/oder körperliche Leistungen benötigt werden. Das Angstzentrum ist weitgehend inaktiv, während sich eine starke Aktivität im Belohnungszentrum zeigt. 

Für eine bewusste Aktivierung des Zustands sind insbesondere die Erkenntnisse zur Neurochemie und den Hirnwellen während des Flow-Erlebens interessant. 

Im Flow-Zustand kommt es offenbar zu einem regelrechten Schub an Glücks-, Belohnungs- und Erregungsbotenstoffen. Nicht nur Dopamin als zentraler Belohnungs- und Motivationsneurotransmitter wird für den Flow-Zustand als charakteristisch angesehen, sondern interessanterweise auch zahlreiche Erregungsbotenstoffen, die für die Stressreaktion bekannt sind: Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol.

Die Erregungsbotenstoffe werden von den Forscher:innen als Energie- und Aktivierungslieferanten beschrieben, um in den Flow-Zustand zu kommen und darin zu bleiben. Für die Abgrenzung zum negativen Stress wird zum einen ein mittleres und gemäßigtes Level an Errregungsbotenstoffen nachgewiesen; zum anderen die gleichzeitig stattfindende Erhöhung des Dopamin-Spiegels: Ein Adrenalinanstieg allein mündet schnell in Stress. In Kombination mit Dopamin entsteht jedoch eine positive Erregungsform – das „Excitment“. Und laut Wissenschaft haben wir nicht nur einen Einfluss darauf, unser Erregungsniveau zu aktivieren, sondern auch darauf, was und wie stark wir etwas als belohnend und erstrebenswert ansehen.

Der Neurobiologe Andrew Huberman wählt die Metapher eines Pfeils, um zu veranschaulichen, wie die verschiedenen zentralen Botenstoffe zusammenwirken und bringt für Hochkonzentrationsphasen mit dem Acetylcholin noch einen weiteren Neurotransmitter ins Spiel: Dopamin ist das Pfeilende, die Nocke, und bildet damit den Treiber und Motor. Den Pfeilschaft bilden Adrenalin und Co, die Energie und Wachheit zur Verfügung stellen. Acetylcholin sorgt für Fokus und Konzentration und bildet so die Pfeilspitze. 

Anders als Dopamin, Noradrenalin und Adrenalin wird Acetylcholin nicht dem Erregungssystem, sondern dem parasympathischen System zugeordnet, d.h. dem Entspannungsmodus unseres Nervensystems. Im Flow-Zustand gibt es offenbar ein Zusammenspiel von Aktivierungs- und Entspannungselementen. 

Auf die Beteiligung des Entspannungssystems verweisen auch die Messergebnisse von Hirnwellen: Wenn Menschen im Flow sind, treten vermehrt Alpha- und Thetawellen auf, die  typisch für einen entspannten Wachzustand bzw. für frühen Schlaf oder Phasen von sehr tiefer Entspannung sind. Ein Anstieg dieser Hirwellen zeigt sich auch in der Meditation, Hypnose oder beim Tagträumen. 

Auf Basis dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse sehe ich vier Handlungsfelder, um die Chance, in einer bestimmten Situation in den Flow-Zustand zu kommen, zu erhöhen:

1. Aufmerksamkeit und Fokus steigern,

2. ein optimales Erregungsniveau erreichen,

3. die intrinsiche Motivation befeuern und

4. Defokussierungsmaßnahmen etablieren. 

Für jedes dieser Handlungsfeld findet ihr hier eine Auswahl an konkreten Tools: How to Flow: Situative Aktivierung des Flow-Erlebens

Die Adhoc-Maßnahmen sind zwar hervorragende Unterstützer, bieten aber leider keine Garantie dafür, dass wir tatsächlich in den Flow kommen. Denn dies hängt zusätzlich von unserer jeweiligen Tagesform ab, die durch Schlaf, Essen, Hydration, akutem Stress, Fitness- und Gesundheitsgrad u.v.m beeinflusst wird. 

Außerdem haben Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihren Fähigkeiten eine unterschiedlich ausgeprägte Neigung oder Empfänglichkeit für den Flow-Zustand. Wer Folgendes mitbringt, ist per se flow-empfänglicher: eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung und erfolgszuversichtliche Leistungsmotivation sowie emotionale Stabilität und Offenheit für Neues; eine hohe Absoptionsfähigkeit sowie eine hohe Stresstoleranz. Für all diese Faktoren spielen Veranlagung und Prägungen in der frühen Kindheit eine Rolle. Allerdings geht man in Psychologie und Neurowissenschaften davon aus, dass wir diese Fähigkeiten durchaus verbessern können. Was können wir also wie trainieren, um unsere Flow-Neigung zu erhöhen?

1. Trainingsbereich: Selbstwirksamkeitserwartung und Leistungsmotivation

Menschen mit einer höheren Selbstwirksamkeitserwartung und einer erfolgszuversichtlichen Leistungsmotivation haben es leichter, den Flow-Zustand zu erleben. Zum einen weil sie darauf vertrauen, dass sie selbst in der Lage sind mit den Anforderungen einer bestimmten Aufgabe umzugehen und die Situation kontrollieren zu können. Zum anderen weil sie keine Angst davor haben, sich anspruchsvolle Ziele zu setzten und sich selbst herauszufordern; im Unterschied zu den misserfolgsänstlichen Menschen, die sich zu niedrige oder unrealistisch hohe Ziele setzen. Folgendes kann durch Training und Coaching verbessert werden: 

  • Emotions- und Gedankenregulierung stärken

    • durch Coaching und Selbstbeobachtung mehr Sensibilität und Selbsterkenntnis über die eigenen Gedanken- und Emotionsmuster erlangen

    • blockierende Glaubenssätze identifizieren, auflösen und bestärkende Überzeugungen verankern

    • regelmäßige Praxis der Aufmerksamkeitsmeditation

  • Growth Mindset entwicklen 

    • aktive Vergrößerung der Lern- und Wachstumszone durch Lernen in sicherer Umgebung

    • Body-Mind-Methoden wie die Life-Kinetik, die über Bewegungstraining die Lern- und Leistungsfähigkeit unseres Gehirns verbessern

  • Ziele mit Bedürfnissen synchronisieren

    • Werte- und Zielearbeit (inkl. emotionale Haltungsziele), bei der bewusstes Wollen und unbewusstes Wünschen in Einklang gebracht werden

2. Trainingsbereich: Absoptionsfähigkeit verbessern  

Das Verschmelzen mit und der starke Fokus auf eine Aufgabe im Flow fällt Menschen mit einer hohen Absorptionsfähigkeit leichter. Die Absorptionsfähigkeit lässt sich mit verschiedenen Techniken verbessern, die zum einen die Konzentrationsfähigkeit und zum anderen die Imaginationskraft trainieren:

  • Fokus und Konzentration erhöhen

    • regelmäßige Praxis der Fokus-Meditation

    • Training der visuellen Fokussierung

    • Atemtechniken (z.B. Boxatmung), um Zustand der entspannten Konzentration zu üben

  • Imaginationsfähigkeit steigern

    • Training von Visualisierungen, d.h. Vorstellen und Abrufen von inneren Bildern und Szenen, bei denen man hoch konzentriert und im Flow war

    • (Selbst-)Hypnose 

3. Trainingsbereich: Stresstoleranz erhöhen

Je höher die Stresstoleranz eines Menschen ist, desto größer ist der Spielraum, in dem Erregungslevel und Herausforderungen als motivierend und leistungssteigernd wirken. Das Eintauchen in den Flow-Zustand wird damit leichter. Was können wir tun, um die Schwelle langfristig anzuheben?

  • Eustress-Momente (positiven Stress) bewusst herbeiführen

    • Growth Mindset und Wachstumszone durch Lernen vergrößern

    • Kälte-Exposition, z.B. kaltes Duschen, um positiven Körperstress zu erlernen

  • Autonomes Nervensystem stärken

    • Entspannungstechniken regelmäßig praktizieren, wie z.B. Autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelrelaxation, Qigong etc.

    • Herzratenvariabilitätstraining für ein besseres Zusammenspiel zwischen sympathischen und parasympathischen Nervensystems

  • Gesunde Lebensweise etablieren

    • ausreichend und erholsamer Schlaf, gesunde und ausgewogene Ernährung, viel Bewegung sowie erfüllende soziale Kontakte

Etliche der genannten Maßnahmen zur Verbesserung der Flow-Neigung können durch Neuromentaltraining und Hypnose umgesetzt werden. Gerne unterstütze ich dich dabei, deinen ganz individuellen Weg zu einem produktiveren, leistungsstärkeren und glücklicheren Arbeitsmodus zu finden.

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